Diagnostik
Um eine angemessene, qualitätsgesicherte Diagnostik der Lese- und / oder Rechtschreibleistung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und / oder Rechtschreibstörung zu gewährleisten, wurde unter Leitung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) die Entwicklung einer evidenz- und konsensbasierten (S3) Leitlinie zur Diagnostik und Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und / oder Rechtschreibstörung erstellt, die unter folgendem Link abgerufen werden kann: Leitlinie LRS).
Die Diagnostik einer Lese- und / oder Rechtschreibstörung ist interdisziplinäre Aufgabe, multiaxial und schließt eine klinische, physische und testpsychologische Untersuchung mit ein.
Es gilt die Seh-oder Hörfähigkeit zu überprüfen und weitere physische Erkrankungen (z.B. Hirnschädigung oder neurologischen Erkrankung) oder die Intelligenz als Ursache für die schwachen Lese- und Rechtschreibleistungen auszuschließen. Die Überprüfung der Kernsystematik umfasst die Diagnostik der Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit, Leseverständnis, lauttreue und orthografische Schreibfähigkeit.
Die klinische Untersuchung sollte den Entwicklungsverlauf, die Familien-und Schulsituation, die gesellschaftliche Eingliederung sowie die Auswirkungen der Leistungsdefizite auf die psychische und soziale Entwicklung des betroffenen Kindes oder des Jugendlichen thematisieren.
Zudem soll bei der Diagnostik überprüft werden, ob eine Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS), eine expressive bzw. rezeptive Sprachstörung, Angststörung oder weitere psychiatrische Auffälligkeiten sowie eine Rechenstörung zusätzlich zu den Problemen im schriftsprachlichen Bereich vorliegen.
Zusammenfassung multiaxiale Diagnostik
Achse | Gegenstand |
---|---|
1: psychische Gesundheit | Angststörungen, depressive Störungen, ADHS und weitere psychische Auffälligkeiten |
2: Kernsymptomatik | Lesegenauigkeit, Lesegeschwindigkeit, Leseverständnis, lauttreue und orthografische Schreibfähigkeit |
2: umschriebene Entwicklungsstörungen | Sprachstörungen, Rechenstörungen |
3: Intelligenz | Intelligenzniveau |
4: körperliche / neurologische Entwicklung | Überprüfung der Seh-oder Hörfähigkeit, Ausschluss einer Hirnschädigung oder neurologischen Erkrankung |
5: aktuelle psychosoziale Umstände | Schul- und Familiensituation |
6: Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung und Eingliederung | Beziehungen des Patienten zu Familie, Gleichaltrigen und Außenstehenden sowie schulische Adaptation |
Diagnosekriterien
Nach Leitlinie kann das Alters-Diskrepanz-Kriterium, das Klassennorm-Diskrepanz- und das IQ-Diskrepanzkriterium verwendet werden. Grundbedingung für eine Diagnosestellung sind unterdurchschnittliche Leistungen im Lesen und / oder Rechtschreiben (Abweichung 1 SD von der Alters- oder Klassennorm).
Umsetzung der Diagnosekriterien Leitlinie LRS
Diagnosekriterium | Inhalt | Umsetzung |
---|---|---|
Altersnorm-Diskrepanzkriterium | Unterdurchschnittliche Leistung in dem jeweiligen Testverfahren gemäß der Altersnorm | Mindestens Prozentrang <= 16 bzw. T-Wert <= 40 |
Klassennorm-Diskrepanzkriterium | Unterdurchschnittliche Leistung in dem jeweiligen Testverfahren gemäß der Klassennorm. Wenn vorhanden, schulformspezifische Norm anwenden. | Mindestens Prozentrang <= 16 bzw. T-Wert <= 40 |
Alters- oder Klassennorm- und IQ-Diskrepanzkriterium | Unterdurchschnittliche Leistung in dem jeweiligen Testverfahren gemäß der Alters- oder Klassennorm UND erwartungswidrig schwache Leistung in dem jeweiligen Testverfahren im Vergleich zum IQ-Wert | Mindestens Prozentrang <= 16 bzw. T-Wert <= 40 UND Diskrepanz aus den jeweiligen T- oder IQ-Werten >= 1 SD |
Galuschka, K., & Schulte-Körne, G. (2016). The Diagnosis and Treatment of Reading and/or Spelling Disorders in Children and Adolescents. Deutsches Arzteblatt international, 113(16), 279-286.
Testverfahren
Bei der Auswahl eines Testverfahrens sollte auf folgende Gütekriterien psychodiagnostischer Verfahren geachtet werden:
- Normierung
- Die Aktualität der Normwerte sollte in den letzten 10 Jahren überprüft worden sein
- Die Normstichprobe sollte mindestens ? 250 Personen pro Normierungszeitraum umfassen
- Objektivität
- Die Testmanuale müssen eine objektive Durchführung, Auswertung und Interpretaion des Verfahrens ermöglichen (Durchführungsanleitung möglichst im Wortlaut Auswertung und Interpretation durch Lösungsschemata / Modelle, Grenz-/Standardwerte)
- Reliabilität
- Die Reliabilität wurde anhand der Retest-Methode überprüft
- Validität
- Die Verfahren zur Validierung verfolgt eine ähnliche diagnostische Fragestellung und Zielgruppe
Galuschka, K., Rothe, J., & Schulte-Körne, G. (2015). Die methodische Beurteilung und qualitative Bewertung psychometrischer Tests am Beispiel aktueller Verfahren zur Erfassung der Lese-und/oder Rechtschreibleistung. Zeitschrift für Kinder-und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.
Zur Überprüfung der Leseleistung können folgende Verfahren angewendet werden:
- Würzburger Leise Leseprobe - Revision (WLLP-R)
- Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT II)
- Ein Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler (ELFE 1-6)
- Lesegeschwindigkeits- und verständnistest für die Klassen 6-12
- Lesetestbatterie für die Klassenstufen 6 -7 (Lesen 6-7)
- Lesetestbatterie für die Klassenstufen 8 - 9 (Lesen 8-9)
- Deutscher Rechtschreibtest für das erste und zweite Schuljahr (DERET 1-2+)
- Deutscher Rechtschreibtest für das dritte und vierte Schuljahr (DERET 3-4+)
- Deutscher Rechtschreibtest für das fünfte und sechste Klassen (DERET 5-6+)
- Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT II) Rechtschreibtest
- Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für 1. und 2. Klassen (WRT 1+)
- Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für 2. und 3. Klassen (WRT 2+)
- Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für dritte und vierte Klassen (WRT 3+)
- Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für vierte und fünfte Klassen der Grund- und Hauptschule (WRT 4+)
Literatur
Bäuerlein, K., Lenhard, W., & Schneider, W. (2012a). LESEN 6-7, Lesetestbatterie für die Klassenstufen 6 -7 Hogrefe.
Bäuerlein, K., Lenhard, W., & Schneider, W. (2012b). LESEN 8-9, Lesetestbatterie für die Klassenstufen 8 -9 Hogrefe.
Birkel, P. (2007a). WRT 1+ Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für erste und zweite Klassen (2., neu normierte und vollständig überarbeitete Auflage ed.). Göttingen: Hogrefe.
Birkel, P. (2007b). Weingartner Grundwortschatz; Rechtschreib-Test für zweite und dritte Klassen. Göttingen: Hogrefe.
Birkel, P. (2007c). WRT 3+ Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für dritte und vierte Klassen (2., neu normierte und vollständig überarbeitete Auflage ed.). Göttingen: Hogrefe.
Birkel, P. (2007d). WRT 4+ Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test für vierte und fünfte Klassen. Göttingen: Hogrefe.
Ibrahimovic, N., & Bulheller, S. (2013). RST-ARR Rechtschreibtest - aktuelle Rechtschreibregelung. Frankfurt: Pearson Assessment.
Lenhard, W., & Schneider, W. (2006). ELFE 1-6, Ein Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler. Göttingen: Hogrefe.
Martinez-Mendez, R., Schneider, M., & Hasselhorn, M. (2015). Deutscher Rechtschreibtest für fünfte und sechste Klassen. Göttingen: Hogrefe.
Moll, K., & Landerl, K. (2010). SLRT Lese- und Rechtschreibtest. . Göttingen: Huber.
Schneider, W., Blanke, I., Faust, V., & Küspert, P. (2011). WLLP-R, Würzburger Leise Leseprobe - Revision Göttingen: Hogrefe.
Schneider, W., Schlagmüller, M., & Ennemoser, M. (2007). LGVT 6-12, Lesegeschwindigkeits- und Verständnistest für die Klassen 6-12 Göttingen: Hogrefe.
Stock, C., & Schneider, W. (2008a). DERET 1-2+ Deutscher Rechtschreibtest für das erste und zweite Schuljahr. Göttingen: Hogrefe.
Stock, C., & Schneider, W. (2008b). DERET 3-4+ Deutscher Rechtschreibtest für das dritte und vierte Schuljahr (1. ed.). Göttingen: Hogrefe.